Innovation und Umwelt

Hochwasserschäden: Wer ist verantwortlich?

Die katastrophalen Starkregen-Ereignisse im Juli dieses Jahres haben im Kammerbezirk der SIHK zu Hagen zu schweren Schäden im Bereich von Flussläufen geführt: Uferbereiche sind abgetragen und dort befindliche Bauwerke oder Anlagen beschädigt worden, fortgerissene Böden, Pflanzen und Gegenstände sind flussabwärts auf Ufergrundstücken angespült worden, und gefährliche Stoffe sind aus Anlagen und Gegenständen ausgetreten und in den Boden eingedrungen.
Wenn es darum geht aufzuräumen, zu reparieren und den früheren Zustand wiederherzustellen, stellen sich auch rechtliche Fragen, insbesondere hinsichtlich der operativen und finanziellen Verantwortlichkeit für die Gewässerunterhaltung, für Anlagen an und in Gewässern, für die Entsorgung von Abfällen und für die Sanierung von Bodenverunreinigungen. Den maßgeblichen Rechtsrahmen hat Rechtsanwalt Gregor Franßen von Kopp-Assenmacher & Nusser, Düsseldorf, im Folgenden kurz in seinen Grundzügen für die SIHK beleuchtet.
Verantwortlichkeit für die Gewässerunterhaltung
Die Behebung von Schäden an einem oberirdischen Gewässer (Fluss, See, Bach etc.) und seinen Ufern wird regelmäßig Aufgabe der sog. Gewässerunterhaltung sein. Die Unterhaltung eines oberirdischen Gewässers umfasst gemäß § 39 Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes (WHG) seine Pflege und Entwicklung als öffentlich-rechtliche Verpflichtung (Unterhaltungslast). Zur Gewässerunterhaltung gehören danach u. a. die Erhaltung des Gewässerbettes (auch zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses), die Erhaltung der Ufer (insbesondere durch Erhaltung und Neuanpflanzung einer standortgerechten Ufervegetation) und die Freihaltung der Ufer für den Wasserabfluss, die Erhaltung der Schiffbarkeit von schiffbaren Gewässern sowie die Erhaltung des Gewässers in einem Zustand, der hinsichtlich der Abführung oder Rückhaltung von Wasser, Geschiebe, Schwebstoffen und Eis den wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen entspricht. Es besteht dabei keine Pflicht, jeden Uferabbruch zwingend an derselben Stelle in derselben Weise wiederherzustellen. Ergänzend gibt § 61 des Landeswassergesetzes Nordrhein-Westfalen (LWG NRW) vor, dass zur Unterhaltung auch die Freihaltung, Reinigung und Räumung des Gewässerbettes und der Ufer von Unrat gehört, soweit es dem Umfang nach geboten ist.
Die Unterhaltung obliegt nach § 40 Abs. 1 WHG grundsätzlich den Eigentümern der Gewässer – soweit die Unterhaltung nicht nach landesrechtlichen Vorschriften Aufgabe von Gebietskörperschaften, Wasser- und Bodenverbänden, gemeindlichen Zweckverbänden oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts ist. Solche landesrechtlichen Vorschriften gibt es in Nordrhein-Westfalen, und hier wird es nun komplex: Gemäß § 62 LWG NRW obliegt
  • die Unterhaltung der fließenden Gewässer bei Gewässern erster Ordnung dem Eigentümer, soweit dieser eine öffentlich-rechtliche juristische Person ist, ansonsten dem Land, und
  • bei Gewässern zweiter Ordnung und bei sonstigen Gewässern den Gemeinden, die mit ihrem Gebiet Anlieger sind (Anliegergemeinden).
  • Die Unterhaltung der stehenden Gewässer obliegt den Eigentümern oder, wenn sich diese nicht ermitteln lassen, den Anliegern.
  • Soweit Wasserverbände nach Gesetz oder Satzung die Gewässerunterhaltung zur Aufgabe haben, obliegt ihnen die Gewässerunterhaltung; insoweit treten sie an die Stelle der Anliegergemeinden (fließende Gewässer) oder der Eigentümer/Anlieger (stehende Gewässer).
Die Kreise können im Einvernehmen mit der betroffenen Gemeinde die Pflicht zur Unterhaltung von Gewässern zweiter Ordnung und von sonstigen Gewässern übernehmen; insoweit treten sie an die Stelle der Gemeinden. Die Gemeinde kann ihre Pflicht zur Unterhaltung der Gewässer auf eine von ihr errichtete Anstalt des öffentlichen Rechts übertragen.
Was diese differenzierte Aufteilung der Gewässerunterhaltungslast in Grundzügen bedeutet, kann wie folgt am Beispiel des Einzugsgebiets der Ruhr veranschaulicht werden: Soweit die Ruhr selbst ein Gewässer erster Ordnung ist, kommt es zunächst auf das Eigentum am Gewässer an (s. o.). Die Ruhr einschließlich ihrer Neben-, Alt- und Mündungsarme ist von der Einmündung der Möhne (in Neheim) bis oberhalb der Schlossbrücke in Mülheim (Ruhr) ein Gewässer erster Ordnung und insoweit ein im Eigentum des Landes Nordrhein-Westfalen stehendes Landesgewässer. Zusätzlich ist die Ruhr von oberhalb der Mülheimer Schlossbrücke (km 12,21) bis zum Rhein (km 0) eine Bundeswasserstraße und steht damit im Eigentum des Bundes. Im Übrigen ist die Ruhr ein Gewässer zweiter Ordnung. Damit ist die Unterhaltungslast für die Ruhr grundsätzlich abschnittsweise auf den Bund (Abschnitt als Bundeswasserstraße), das Land Nordrhein-Westfalen (Abschnitt als Gewässer erster Ordnung) und die Anliegergemeinden (Abschnitt als Gewässer zweiter Ordnung) aufgeteilt. Nun gibt es darüber hinaus aber auch noch den Ruhrverband, der gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Ruhrverbandsgesetzes (RuhrVG) die Aufgabe der Unterhaltung oberirdischer Gewässer oder Gewässerabschnitte und der mit ihnen in funktionellem Zusammenhang stehenden Anlagen hat, soweit das Land NRW oder ein anderes Mitglied die Unterhaltung der Ruhr auf den Ruhrverband übertragen hat. Die Zuflüsse in die Ruhr sind sonstige Gewässer, so dass die Anliegergemeinden die Unterhaltungslast tragen, soweit sie diese Aufgabe nicht auf eine eigene kommunale Anstalt öffentlichen Rechts, auf den Kreis oder auf den Ruhrverband übertragen haben. Wer in einem bestimmten Abschnitt eines Gewässers im Einzugsgebiet der Ruhr die Unterhaltungslast trägt, lässt sich daher nur im Einzelfall sagen.
Die Kosten für die Gewässerunterhaltung trägt im Ausgangspunkt der Unterhaltungspflichtige. Die Gemeinden können den ihnen aus der Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung und der sonstigen Gewässer entstehenden Aufwand zur Erhaltung und zur Erreichung eines ordnungsmäßigen Zustandes für den Wasserabfluss sowie die von ihnen an die Kreise oder Wasserverbände abzuführenden Beträge gemäß § 64 LWG NRW innerhalb des Gemeindegebiets als Gebühren nach den §§ 6 und 7 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) durch Satzung umlegen auf
  • die Eigentümer von Grundstücken und Anlagen, die die Unterhaltung über die bloße Beteiligung am natürlichen Abflussvorgang hinaus erschweren (sog. Erschwerer), und
  • die Eigentümer von Grundstücken in dem Bereich, aus dem den zu unterhaltenden Gewässerstrecken Wasser seitlich zufließt (seitliches Einzugsgebiet) als durch den Abfluss Begünstigte.
Kreise und Wasserverbände können den ihnen aus der Gewässerunterhaltung (Gewässer 2. Ordnung und sonstige Gewässer) entstehenden Aufwand innerhalb ihres Gebiets auf die Erschwerer und die Gemeinden im seitlichen Einzugsgebiet im Verhältnis ihrer Gebietsteile im Einzugsgebiet umlegen. Wasserverbände können stattdessen für Maßnahmen der Gewässerunterhaltung von ihren Mitgliedern Verbandsbeiträge erheben.
Wird ein Betroffener durch eine Verletzung der Gewässerunterhaltungspflicht durch den Unterhaltungspflichtigen in seinem Eigentum oder anderen absoluten Rechten geschädigt, kann ein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch sowohl aus Amtshaftung (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG)) als auch nach allgemeinem Deliktsrecht, insbesondere § 823 Abs. 1 BGB, gegeben sein.
Verantwortlichkeit für Anlagen an, in, über, unter Gewässern
Von der Gewässerunterhaltungspflicht zu unterscheiden ist die Pflicht zur Unterhaltung von Anlagen in, an, über und unter oberirdischen Gewässern. Zu solchen Anlagen zählen nach § 36 Abs. 1 WHG insbesondere (1.) bauliche Anlagen wie Gebäude, Brücken, Stege, Unterführungen, Hafenanlagen und Anlegestellen, (2.) Leitungsanlagen, (3.) Fähren. Derartige Anlagen sind so zu betreiben, zu unterhalten und stillzulegen, dass keine schädlichen Gewässerveränderungen zu erwarten sind und die Gewässerunterhaltung nicht mehr erschwert wird, als es den Umständen nach unvermeidbar ist.
Die Unterhaltung solcher Anlagen obliegt gemäß § 23 Abs. 1 LWG dem Eigentümer und dem Besitzer der Anlage. Ist der Pflichtige nicht feststellbar oder steht eine Anlage im Eigentum mehrerer, kann die zuständige Behörde den Gewässerunterhaltungspflichtigen (s. o.) verpflichten, die erforderlichen Maßnahmen durchzuführen; in diesen Fällen kann der Gewässerunterhaltungspflichtige Kostenerstattung vom Anlageneigentümer oder -besitzer verlangen. Der anlagenunterhaltungspflichtige Eigentümer oder Besitzer hat eine Anlage, die nicht (mehr) den Anforderungen nach § 36 Abs. 1 WHG entspricht, gemäß § 24 Abs. 1 LWG NRW auf Anordnung der Wasserbehörde anzupassen.
Die Abgrenzung, ob eine Anlage unterhaltungsrechtlich selbstständig zu betrachten ist (z.B. regelmäßig bei Bauwerksfundamenten, Entnahme- und Einleitungsbauwerken, Brücken, Dükern, Unterführungen, Verrohrungen), so dass die Unterhaltungslast den Anlageneigentümer oder -besitzer trifft, oder als Gewässerbestandteil (= keine Anlage in, an, über, unter einem Gewässer), für den der Gewässerunterhaltungspflichtige verantwortlich ist (z.B. regelmäßig Ufermauern, Böschungsbefestigungen), richtet sich nach Ausgestaltung und Funktion der betreffenden Anlage im Einzelfall.
Verantwortlichkeit für angeschwemmten Abfall auf Grundstücken
Sind Abfälle (Gegenstände aller Art, im Oberlauf abgetragenes Bodenmaterial etc.) durch ein Gewässer, bspw. in Folge eines Hochwasser- oder Starkregenereignisses, im Unterlauf auf ein Grundstück gespült worden, sind nach den abfallrechtlichen Bestimmung der §§ 7 und 15 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) der Eigentümer und der Besitzer (Mieter und Pächter) des Grundstücks für die Entsorgung (Verwertung, Beseitigung) des angespülten Abfalls verantwortlich. Denn Eigentümer und der Besitzer des betreffenden Grundstücks sind selber Besitzer der angespülten Abfälle (geworden). Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, die zu Wohnzwecken genutzt werden, können den angespülten Abfall ggf. dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (sprich: dem kommunalen Abfallentsorgungsbetrieb) als Abfall aus Privathaushaltungen überlassen; Eigentümer und Besitzer von gewerblich und industriell genutzten Grundstücken können ggf. einen Anspruch auf Überlassung als Abfall zur Beseitigung an den kommunalen Entsorger geltend machen. Insgesamt sollten die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger hier großzügig agieren. Andernfalls müssen sich die betroffenen Grundstückseigentümer und -besitzer selbst und auf eigene Kosten um die Abfallentsorgung kümmern.
Verantwortlichkeit für Bodenverunreinigungen durch angeschwemmte Abfälle oder verschmutztes Wasser
Hochwasser- oder starkregenbedingt kann es durch angespülte Gegenstände, Materialien, Abfälle oder Stoffe zu sanierungsbedürftigen schädlichen Bodenverunreinigungen von Grundstücken im Unterlauf eines Gewässers kommen. In solchen Fällen ist gemäß § 4 Abs. 3 des Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) wiederum der Grundstückseigentümer oder -besitzer für die Sanierung der schädlichen Bodenverunreinigung auf seinem Grundstück verantwortlich. Eigentümer und Besitzer, die eine schädliche Bodenverunreinigung nicht durch eigenes Verhalten verursacht haben, haften jedoch nicht grenzenlos. Der Umfang ihrer Verantwortlichkeit wird dadurch begrenzt, dass dem Verantwortlichen nichts rechtlich oder tatsächlich Unmögliches abverlangt werden darf. Die Haftung nach § 4 Abs. 3 BBodSchG ist daher grundsätzlich auf das Grundstückseigentum beschränkt. Außerdem greift zugunsten des Verantwortlichen das Verhältnismäßigkeitsgebot (BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 1 BvR 242/91 –, juris, Rn. 44 mwN). Danach muss die Bodenschutzbehörde, die eine Inanspruchnahme des Verantwortlichen erwägt, zwischen dem Gesundheits- und Umweltschutz, dem eine Sanierung dienen soll, und der Belastung des Verantwortlichen abwägen. Grundsätzlich hat der Grundstückseigentümer/-besitzer wegen der Sozialpflichtigkeit seines Eigentums die Kosten einer Sanierung zu tragen. Die Grenze ist aber dann erreicht, wenn der finanzielle Sanierungsaufwand den Verkehrswert des Grundstücks nach der Sanierung übersteigt. Aber auch diese Belastung kann einem Verantwortlichen insbesondere dann unzumutbar sein, wenn das betreffende Grundstück den Lebensmittelpunkt und das wesentliche Vermögen des Verantwortlichen darstellt und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seiner Familie bildet. Unzumutbarkeit ist vor allem in den Fällen anzunehmen, in denen der Eigentümer eines Eigenheims das Grundstück wegen der Sanierungskosten nicht mehr halten könnte.
6. Dezember 2021